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Neues Leben für alte Bahnstrecke
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Video: https://youtu.be/LOEKWv7JRwA
Brotterode-Trusetal – So manche Gemeinde in der Region dürfte neidisch nach Brotterode-Trusetal schauen. Denn dort gibt es ein stillgelegte Bahntrasse, deren Grundstücke die Stadt nach vielen Jahren endlich erwerben konnte. Geht es nach Bürgermeister Kay Gossmann wird dort schon bald ein Radweg für touristische Belebung sorgen. Und dann gibt es da auch noch Stefan und Andrea Wolf, welche ebenfalls seit über zwanzig Jahren versuchen die Grundstücke zu erwerben um eine Draisinenbahn auf der idyllisch gelegenen Strecke zu errichten. Lange sah es auch danach aus, Stadt- und Gemeinderat standen hinter dem Projekt. Doch nun soll es wohl anders kommen…
„Also die Ausgangssituation ist eine ganz andere. Vor 25 oder 20 Jahren war das Radfahren noch nicht so populär wie heute, gerade mit dem Bau des Mommelstein Radweges. Ich glaube, so in diese Zeit fiel das Ganze, dass es mit dem Fahrrad fahren hier richtig aufwärts ging. In Thüringen war es vor 20, 25, 30 Jahren, da gab es sehr wenig Radwege, heute haben wir eine Vielzahl von Radwegen. Der Landkreis Schmalkalden-Meiningen hat sich dieses Ziel auch gesetzt, zu einem guten Radweg Ausbau zu kommen. “ erklärt Bürgermeister Kay Goßmann „Und deshalb gibt es eine Radwegkonzeption und der Mommelstein Radweg ist in Gänze auch Bestandteil dieser Radwegkonzeption.“
Die Radwegekonzeption des Landkreises gibt es seit 2002. 2015 wurde sie fortgeschrieben. Auf ihren 63 Seiten ist zum Mommelstein Radweg recht wenig zu lesen.
Der Bürgermeister sieht den Lückenschluß als wichtiger Aspekt: „Wir haben alleine nur die Bahntrasse und wir haben ein inzwischen dichtes Radwegenetz. Und diese 5 Kilometer fehlen im Augenblick, also die fehlen genau in diesem Fahrradwegenetz und er führt genau dorthin, wo wir in wenigen Jahren eine erhebliche Entwicklung sehen, nämlich genau am Seimberg, wie Sie wissen, haben wir dort ein großes Projekt in der Pipeline. Und genau dort wollen wir unsere Gäste auch hinführen und das gelingt natürlich in idealer Weise mit dem Radweg und so ist dieser Radweg der Schlüssel.“
Zu kurz gedacht meint Frank Ullrich. Ob Inselsbergexpress oder Zwergenpark, seit über dreißig Jahren ist der Unternehmer am Inselsberg aktiv, kennt die Region wie kein Zweiter: „Eine Draisine ist aus meiner Sicht eine wunderbare Ergänzung. Wenn man das Phänomen Eisenbahn betrachtet und da zählt eine Draisine mit dazu. Ich habe hier seit über 20 Jahren den Inselsberg-Express betrieben, ich kenne die Faszination Eisenbahn und auch bei uns fährt eine Eisenbahn im Zwergenpark auch das fasziniert die Menschen, nicht nur die kleinen Kinder, nicht nur die Väter, auch die Großväter. In Thüringen gibt es 3 Draisinen, die sehr gut angenommen werden und ich kann das eigentlich nur begrüßen, so eine Attraktion hier auch mit anbieten zu können.“
Das Thema Radweg ist aus Sicht des Tourismusexperten nur ein Beispiel dafür, wie Tourismus in Brotterode-Trusetal aktuell gedacht wird. Seit langem kritisiert er das Fehlen eines gemeinsamen Tourismuskonzeptes für die Inselsbergregion: „Miteinander sprechen miteinander die Aktivitäten bündeln, um die dann besser effektiver und umfangreicher an den Touristen heranzubringen, um ihm das zu präsentieren. Das hat aus meiner Sicht in der Vergangenheit zum Teil schon sehr gut funktioniert und das ist das, was zur Zeit ich sag mal nicht beziehungsweise sehr schlecht funktioniert…“
Erworben hat die Stadt nicht nur den Bahnkörper, sondern vielmehr die dazugehörigen Grundstücke. Auf der Karte betrachtet gibt es hier Abschnitte welche deutlich größer sind als nur das alte Gleisbett. Vielleicht doch Platz für Radweg und Draisine?
Das Konzept von Familie Wolf sieht Liegefahrräder vor, welche zu beliebig langen Zügen zusammengefügt werden können, ganz anders also als klassische Draisinenbahnen auf normalen Spurweiten. Schienen mit einer Spurweite von 75cm und das als Rundkurs. Neue kleinere Schienen wollen die privaten Investoren auf die im Gleisbett liegenden Schwellen aufbringen. Beginnend von Brotterode sieht das Projekt einen dreistufigen Ausbau der Strecke vor, geht es nach den Trusetaler Unternehmern. Das geht nicht meint der Bürgermeister.
„Also, liegen zwischen der Idee der Draisine oder des Schienen Fahrrades und heute, 25 Jahre. Damals war die Infrastruktur für ein Schienenfahrrad oder eine Draisine noch vorhanden. Heute ist es das eben nicht mehr. Die Bahntrasse, über die wir sprechen, beginnt mitten im Wald, an einer Stelle, wo ein Radweg aufhört. Diese Stelle ist relativ schwer zu erreichen und die Bahnlinie ist ein undurchdringliches Dickicht. Ich habe das schon probiert. In weiten Teilen kommt man überhaupt nicht mehr durch. Es ist lediglich der Bahnkörper noch vorhanden und die Schwellen in Teilen, ich vermute mal die Hälfte der Schwellen ist nicht mehr da. Die Schienen sind demontiert und es stehen überall Bäume dazwischen. Man kommt nicht durch, mehr ist dort nicht mehr.“ so Goßmann.
Wir machen uns auf den Weg nach Brotterode-Trusetal um uns selbst ein Bild von dieser mysteriösen Trasse im Dornröschenschlaf zu machen. Wir starten etwa in der Hälfte des fünf Kilometer langen Korridors eine Art Selbstversuch und gehen auf der alten Bahntrasse in Richtung Brotterode, genau zu dem Punkt, von welchem Investor Wolf mit seinen Rädern starten möchte.
Schon auf den ersten Metern bekommt man einen Eindruck, was Besucher, egal wie sie auch immer motorisiert sind, erwarten könnte, welches Potential diese alte Bahntrasse hat. Gleichmäßig zieht sich der Bahnkörper durch den Wald, gleich neben einem breiten Fahrweg.
Das Schotternetz ist vom Laub zugedeckt. Ebenso die vorhandenen Schwellen, welche sich im Halbmeter-Abstand aneinanderreihen, als würden sie nur darauf warten, wieder Gleise aufgelegt zu bekommen. Sollte man dies nun alles einzig einem Asphaltbelag unterordnen wollen?
Toruistiker Ullrich zeigt sich wenig begeistert: „Also ich glaube, Radwege gibt es fast überall und es gibt auch wesentlich schönere Radwege außer, sagen wir mal, nur durch den Wald zu fahren, aber egal. Man sollte nicht unbedingt prinzipiell gegen den Radweg sein, oder soll sagen das eine oder das andere? Also ich kann mir, ohne dass ich jetzt nähere Informationen habe, auch beides zusammen vorstellen, aber ich glaube, aus meiner Sicht ist die Attraktivität einer Draisine wesentlich höher anzusiedeln wie die eines Radweges.“
Schaut man sich die Trasse einmal genauer an, so ist es nur schwer zu glauben, das hier nur Platz für ein Projekt sein soll.
Kein Platz für Beides meint der Bürgermeister: „Wo es enge Taleinschnitte gibt, wo die Geographie oder das Gelände einfach jetzt im Augenblick nicht mehr hergibt. Und wenn es gerade nicht in einem Teileinschnitt ist, auf Dämmen die Trasse geführt ist, was dazu führen würde, wenn man diese Trasse breiter machen würde das enorme Erdbewegung, Wald, Abholzung und weitere Geländeeinschnitte von Nöten werden und das würde Kosten mit sich ziehen, die werden einfach nicht darstellbar führ einen Radweg und auch nicht für eine touristische Draisinenstrecke. Ich glaube einfach nicht, dass das geht…“
Zwergenpark Betreiber sieht dies anders: „Meine prinzipielle Einstellung ist dazu, dass also eine Kommune sich auf ihr Kerngeschäft beziehen soll und soll sich in diesen Segmenten bewegen, die ich sag mal privatwirtschaftlich nicht abgedeckt werden können und überall dort, wo ich ein Projekt, egal was es ist, privatwirtschaftlich abgedeckt werden kann, dann sollte man das tun. Allein von den Kosten her rechnet ja nun ein Privatwirtschaftlicher ganz anderes als eine Kommune. Eine Kommune kann nur Geld ausgeben von dem, was sie hat, aber über Folgekosten und sonstiges wird sich in der Regel nie einen Gedanken gemacht. Und die sind nicht unerheblich und da denke ich mal, das privatwirtschaftliche Projekte ganz anders anzusiedeln sind und auch viele Beispiele gibt, dass die viel erfolgreicher sind wie das, was Kommunen betreiben.
Automobilzulieferer Automotive Lighting, diesem gehörten bislang die Grundstücke, hat auf der alten Bahntrasse eine Reihe von Hallen errichtet. Eine Strecke von mehr als einem halben Kilometer muss also überbrückt werden, will man den Zielbahnhof Brotterode mit dem Rad erreichen. Kaum vorstellbar, dass man Radler über das Werksgelände lassen würde.
Kay Gossmann: „Also sicherlich wird es Gespräche geben müssen, das Problem ist aber nicht unlösbar. Es gibt eine Wegeparzelle, die es über den Seimberg schon jetzt gibt, die können wir nutzen, die wäre nicht ganz komfortabel, wäre aber für den Radweg machbar.“
Die Alternativen wären Wege die entweder weit unterhalb oder weit oberhalb von Brotterode führen würden. Also nicht direkt zum Bahnhof. Die komfortablere Wegeführung, wie sie der Bürgermeister umschreibt, wäre ein Weg über die Grundstücke oberhalb des Werksgeländes am Seimberg. Die jedoch gehören den Wolfs, welche diese vor Jahren als Austauschflächen erwarben, um sie gegen die Bahntrasse zu tauschen. Genau die Familie, der man nun nach 25 Jahren Kampf das AUS ihres Traumes von einer Draisinenbahn erklären möchte.
Kay Gossmann: „Aber es wäre natürlich deshalb auch mein großes Interesse darin, den Faden nicht abreißen zu lassen zur Familie Wolf, dass sie unser Projekt dann irgendwann unterstützt und dann vielleicht zu einer etwas komfortableren Wegeführung zusammen mit den Wolfs möglich werden lässt.
Frank Ullrich wirbt für ein Miteinander: „Ich weiß nicht, wenn man 2 Wege hat, ob ein dritter Weg, sagen wir mal jetzt das nonplus ultra ist oder dann die Menschen in die Region bringt oder nur ein zusätzlicher Lückenschluss ist, das mag sicherlich auch interessant sein, aber ich glaube nicht, dass es einen Mehrwert hat und schon gar nicht die Attraktivität ist, die eine Draisine, sagen wir mal regenerieren kann ja, wobei ich also auch ganz klar sagen möchte, ich bin weder gegen das Eine noch gegen das Andere. Man sollte einfach einen Weg finden, um vielleicht beides, sagen wir mal umzusetzen und die Möglichkeit suchen, was umzusetzen und nicht die Möglichkeit, irgendwo das eine oder das andere zu verhindern, denn ich denke es gibt immer nur oder was gut ist, miteinander wie gegeneinander zu arbeiten und gerade in einer kleinen Kommune ist es ganz, ganz wichtig, miteinander zu arbeiten und miteinander füreinander da zu sein.“
Ein Ansatz den man sich verinnerlichen sollte. Und wer weiß, vielleicht verabreden sich Stadträte und Touristiker zu einem kleinen coronakonformen Wandertag auf der alten Bahntrasse, ehe eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Eine Entscheidung mit einer enormen Tragweite für Brotterode-Trusetal, aber auch für die gesamte Region.
Und es wäre doch jammerschade, wenn man dieses einmalige Erlebnis nur einer Zielgruppe zugänglich machen würde, anstatt es mit anderen zu teilen…
