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Untreue-Prozess gegen Bad Liebensteiner Anwalt – „Diesen Mann muss man stoppen, sonst hört der nie auf!“

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Untreue-Prozess gegen Bad Liebensteiner Anwalt – „Diesen Mann muss man stoppen, sonst hört der nie auf!“

Meiningen/Bad Liebenstein: Am dritten Prozesstag im Verfahren gegen einen Rechtsanwalt aus Bad Liebenstein am Meininger Landgericht, sollten weitere Zeugen gehört werden. Neben zwei ehemaligen Angestellten kamen zwei Geschädigte zu Wort, welche ihre Fälle auch zur Anzeige und den Prozess ins Rollen gebracht hatten.

Nachdem Verteidiger Walker verkündete, sein Mandant habe in seiner Ablage noch Nachweise für getätigte Zahlungen im Auftrag einer Mandantin gefunden, welche natürlich bei der Höhe der Schadenssumme zu berücksichtigen seien, befragte der Richter den Angeklagten zu dessen persönlichen Verhältnissen.

 

Eine „Einlassung“ die keine ist…

Im Anschluss folgte, die schon am ersten Prozesstag angekündigte Erklärung von Norman F. zu den Anklagepunkten, verlesen von seinem Verteidiger.

Die von der Staatsanwaltschaft aufgeführten Vorwürfe seien „grundsätzlich richtig, was die Höhe und Daten der Zu- und Abflüsse anbelange“ hieß es.

Weiter hieß es: „…die übernommenen Schulden aus der alten Kanzleigemeinschaft zu Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit (120 -150 T€, A.d.R.) seien einfach zu groß gewesen“. Dann wurde jeder der elf Fälle aufgezählt. Teils seien diese vollständig beglichen, bei anderen Fällen könne er sich nicht mehr erinnern. Soweit die Bandbreite der Einlassung.

Weiter heisst es, ER „wehre sich gegen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft der gewerbsmäßigen Untreue“ schließlich seien die Taten „…jeweils der konkreten persönlichen Situation geschuldet“! Und wenn einige Mandanten, die zum Teil gar in seiner Kanzlei erschienen und auf den Tisch hauten, um ihr Geld einzufordern, nicht solchen Druck ausgeübt hätten, dann, ja dann hätte er auch nicht so handeln müssen, heißt es weiter in der Erklärung.

Seine enormen Bargeldabhebungen erklärte er mit Barzahlungen an Mandanten, um die Fremdgelder (Gelder die den Mandanten durch Rechtssprechung zugeurteilt wurden, A.d.R.) an diese weiterzuleiten, alles ohne Quittungen oder sonstige Belege.  Vorlegen jedenfalls konnte er keine. Buchführung dürfte auch einer Anwaltskanzlei nicht fremd sein. Dennoch gibt es keine Notizen auf den Mandantenakten, keine wirkliche Dokumentation oder Belege.

Aber wirklich danach gefragt hat niemand. Auch niemand in diesem Prozess…

Und auch seine ehemaligen Angestellten, die „ohne Lohnzahlungen drohten ihren Dienst zu verweigern“, drängten ihn zu diesen Taten, wird in seiner  Einlassung weiter ausgeführt.

Und am Ende seiner „Einlassung“ kommt was kommen muss. Der Mann ist schließlich Anwalt und weiß, dass das Gericht dies bei der Bemessung des Strafmaßes berücksichtigen muss…

 

Geständnis/Entschuldigung/Reue

„Es tut mir sehr leid. Es belastet mich sehr schwer. Ich kann mich nicht genug entschuldigen! Ich hoffte, alles lenken zu können. Ich bereue meine Taten sehr und werde dazu stehen!“ lässt er durch seinen Verteidiger verlesen.

 

Gelegenheit dazu sollte er heute jedenfalls noch bekommen…

 

Erste Zeugin ist Kriminalhauptkommissarin S., sie ermittelte in einem Großteil der elf Fälle.

Im Fall der Bad Liebensteiner Rentnerin Rosemarie S. schilderte sie die Befragung der Dame im Wohnheim sehr anschaulich. Die Lebenssituation der Rentnerin ermöglichte ein wohnen im eigenen Zuhause nicht mehr, jedenfalls nicht alleine. „Frau S. gehört zu den Menschen, die der Ansicht sind, wenn ich einem Rechtsanwalt nicht vertrauen kann, wem dann?“ so die Kommissarin. Deshalb informierte sie sich bei zwei Anwälten was man tun kann um ihr weiters Leben zu regeln.

Die Geschädigte hatte mit dem Anwalt,  dem sie vertraute, vereinbart, dass ihr Elternhaus in der Barchfelder Straße in Bad Liebenstein erst verkauft werden sollte, wenn ihr Konto bei der Wartburg Sparkasse nicht mehr für die monatlichen Verbindlichkeiten an das Pflegeheim ausreichen würden. Das Geld solle auf ihrem Sparkassenkonto eingezahlt werden. Dazu erteilte sie „ihrem Anwalt“ eine notarielle Vollmacht. Dass es da einen Unterpunkt gab, der es dem Anwalt erlaubte, auch ein anderes Konto zu eröffnen, wusste Rosemarie S. nicht.

F. verkaufte das Haus, eröffnete ein Konto auf den zweiten Vornamen der Geschädigten „Brigitte“ S., nicht bei der Hausbank der Dame, sondern bei der Flessa Bank. Später löste er auch ein Depot von Frau S. auf und überwies das Geld an sich. Zum Teil tätigte er auch Zahlungen an das DRK Seniorenheim zur Deckung der monatlichen Kosten. So blieb der Betrug lange Zeit unentdeckt.

 

Was die beiden ehemaligen Angestellten von Norman F. berichten, lässt so manchen Zuschauer im Saal nur den Kopf schütteln. Beide berichten von Strom- und Telefonsperrungen, ungedeckten Rechnungen und Vollstreckungsbeamten die in der Kanzlei auftauchten. Viel schlimmer aber war, dass er sie angewiesen habe, „Mandanten den Zahlungseingang ihrer Gelder zu verschweigen, sie hinzuhalten und vertrösten…“. Zahlungen an Mandanten erfolgten nach Größe und Wichtigkeit bzw. dem Druck, den diese machten, so eine der Angestellten weiter.

 

Keine Löhne, aber der Chef fliegt mit der Familie in den Urlaub

Das Lohn- und Gehaltszahlungen verspätet und in Abschlägen gezahlt wurden, daran hatten sie sich schon „gewöhnt“, aber „wenn wir auf unseren Lohn warteten und der Chef mit Familie in den Urlaub fliegt, macht man sich Gedanken“ so eine der beiden ehemaligen Angestellten.

In seiner Einlassung am Morgen hatte Norman F. erklärt, dass er nicht nur Gelder einbehalten, sondern ja auch viele Fremdgelder von Mandanten sofort an diese ausgezahlt habe. Wie viele und welchem Anteil diese an seinem Jahresumsatz ausmachen würden, konnte er nicht beantworten. Seine ehemaligen Mitarbeiterinnen schon: „Nicht viele Fälle und nur mit viel Geduld“ hätten Mandanten ihr Geld bekommen.

Gefragt nach dem Lebensstil ihres Chefs, nannten sie diesen „verschwenderisch“. „Eine vierköpfige Familie mit Haus, zwei Autos, 2×2 Wochen Urlaub im Jahr + die Kosten für Kanzlei und zwei Angestellte bei nur einem Verdiener kann nicht aufgehen“ sagt eine der Angestellten. Verteidiger Walker krätschte dazwischen: „Wie definieren Sie verschwenderisch“? „Wenn jemand mehr ausgibt, als er einnimmt“ kontert die Rechtsanwaltsfachangestellte, welche auch Einsicht in die Bücher hatte.

 

83 jährige Geschädigte vor Gericht

Um 13.05 Uhr wird, die wohl am meisten von den Machenschaften des Anwalts Geschädigte Rosemarie S., als Zeugin gehört. Was die Frau in den letzten Jahren, aber besonders in den letzten Monaten, als der Prozess immer wieder verschoben werden musste und sie geladen und ausgeladen wurde emotional durchmachen musste, kann man erahnen. Dennoch wirkt sie gefasst, äußert sich zu den Fragen der Kammer. Ihre Anspannung ist dennoch spürbar. Es ist ihr erstes Aufeinandertreffen mit dem Mann, der ihr ihr Haus wegnahm und sie mittelllos machte!

Noch einmal erzählt sie, wie sie zu dem dubiosen Anwalt kam, was vereinbart wurde, oder besser vereinbart werden sollte. Das alles klingt plausibel und durchdacht. Was ihr Anwalt daraus machte, ist nun bekannt. Habe sie anfangs noch Kontoauszüge in die Hand bekommen, gab es plötzlich keine mehr. Umstellung auf E-Banking sei der Grund, laut Norman F.

„Und plötzlich hatte ich Schulden.“ schildert sie die damalige Situation. Von Leuten auf der Straße habe sie erfahren, dass ihr Haus verkauft sei. „Das Konto wurde immer weniger und das andere Geld kam nicht“ sagt sie.

 

DRK Pflegeheim lässt „Rosi“ nicht fallen

Rosi, wie die seit 2020 im Heim lebende Frau von den Pflegekräften liebevoll genannt wird, hätte auf Grund ihrer Schulden auch obdachlos werden können. Zahlungen durch Norman F. an das Heim gab es schon länger nicht mehr. Rosi wurde zum Sozialfall, ohne selbst Schuld daran zu haben. Doch das DRK Seniorenheim zeigte Herz, lies die Frau weiter im Heim wohnen und kümmerte sich, dass es „weiter ging“.

 

„Diesen Mann muss man stoppen, sonst hört der nie auf!“

So brachte es Regina H. auf den Punkt. Sie ist neben Rosemarie S. eine weitere Geschädigte, die es ganz hart getroffen hat. Auf Norman F. kam sie im Zuge einer Erbschaftsangelegenheit. Er habe engagiert und völlig korrekt für sie gearbeitet und auch sauber abgerechnet. Gut 22.000,- bekam sie zugesprochen und ausgezahlt, inklusive ordentlicher Abrechnung.

Zufrieden mit der Arbeit des Anwaltes engagierte sie ihn ein zweites Mal. Wieder ging es um ein Erbe. Und nochmal gingen 21.000,- € an die Mandantin, aber nicht auf ihr Konto. Es gäbe da mehrere Hindernisse, erklärte ihr Anwalt Norman F.

Zwei Jahre kontaktierte sie ihn regelmäßig mit der Frage nach ihrem Geld. Seine Ausreden waren unglaublich fasettenreich. Er kam auch höchstpersönlich bei den Mandanten zu Hause vorbei damit sie sich den Weg in die Kanzlei sparen können. „Diese Kanzlei hatte er damals gar nicht mehr. Wegen Mietschulden. Er saß an unserem Tisch, sah uns in die Augen und belog uns“ erzählt die pensionierte Lehrerin.

Irgendwann erschien sie unangekündigt in der Kanzlei und forderte Akteneinsicht.

Aus den Medien erfuhr sie von einem Prozess am Amtsgericht Bad Salzungen gegen einen Anwalt. Sie hatte einen verdacht. Der Prozess war öffentlich, also fuhr sie mit ihrem Mann dorthin. Und, sie traf ihren Anwalt….auf der Anklagebank. Ihr nächster Weg führte direkt zur Polizei, wo sie Anzeige erstattete.

Zugleich reichte sie eine Beschwerde bei der Anwaltskammer Thüringen ein. Die Antwort der Kammer bezeichnet sie im Gespräch mit uns nach dem Prozess als „Frechheit! Die haben nichts unternommen um ihn zu stoppen!“.

Nach langem Kampf erhielt sie Zugang zu den Unterlagen der Bank, die das Erbe auf einem Konto verwaltete. Sage und schreibe 108.000 € wurden ihr per Gerichtsbeschluss zugesprochen. Ausgezahlt hatte F. gerade einmal 21.000,- €.

„Er sieht sich als Opfer, nicht die Opfer als Opfer! Diesen Mann muss man stoppen, sonst hört er nie auf! Wann wird er endlich Verantwortung für seine Taten übernehmen?“ richtet sich die Lehrerin mit deutlichen Worten an die Kammer.

Das alles verfolgte der Angeklagte Norman F., seinen Kopf auf seine linke Faust gelegt und etwas seitlich sitzend, regungslos.

Zu seinen Taten stehen, sieht wahrlich anders aus. Entgegen seiner „Einlassung“ am  Morgen hat er jede Gelegenheit der Entschuldigung oder gar Reue ausgelassen.

Aber Norman F. wird zu seinen Taten stehen müssen, nächsten Montag (27.11.2023).

Nämlich dann, wenn das Gericht das Urteil gegen den Untreue-Anwalt verkündet.

Und ab da wird er Zeit zum Nachdenken und Gelegenheit zu ehrlicher Reue haben…

Hoffentlich nutzt er dies!

Der Prozess ist öffentlich und beginnt um 9 Uhr.

…wir berichten weiter.

 

 

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