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Wasunger Missbrauchsprozess – Der 2. Prozesstag – Haftbefehl vollstreckt

Polizei

Wasunger Missbrauchsprozess – Der 2. Prozesstag – Haftbefehl vollstreckt

Zweiter Prozesstag – ein Tag den niemand so erwarten konnte

Die wohl wichtigste Meldung eines unglaublich wechselhaften Prozesstages vorweg. Heute um kurz nach 15 Uhr wurde der Haftbefehl gegen Sebastian L. verkündet und vollstreckt. Er wird nun in die Justizanstalt Untermaßfeld überstellt.

 

Meiningen – 9:00 Uhr, soeben hat am Landgericht Meiningen der Zweite und wahrscheinlich letzte Prozesstag begonnen. Angeklagt ist Sebastian L. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Zeitraum 2015 bis 2018 in zwei Fällen sexuelle Handlungen an der im Jahr 2011 geborenen Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin vorgenommen haben. Darüber hinaus soll er in den Jahren 2013 bis 2017 im Internet unter einem  Pseudonym in einer Vielzahl von Fällen Bilder und Videos heruntergeladen und teilweise auch weitergeleitet haben, die kinderpornographischen Inhalt hatten.

Der Angeklagte betrat den Gerichtssaal durch den „normalen“ Eingang, nahm neben seiner Verteidigerin Platz. Das er diesen Saal nicht durch die selbe Tür verlassen sollte, ahnte niemand der Anwesenden. Nicht einmal er.

 

 

Heute sollten rund 150 Bilder seiner perfiden Sammlung, die mehrere tausend Bilder und Videos umfasst, exemplarisch gezeigt werden. Ein Sachverständiger sollte ebenfalls gehört werden.

Mit einem Paukenschlag startete er zweite Prozesstag. Der Angeklagte kündigte eine Erklärung an und bat die Richterin die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Richterin gibt ihm unmissverständlich zu verstehen, dass dies keine Option sei!

„Er habe da was vorbereitet“ sagte er, „die mediale Hetzjagd – wo ausführlich über den Fall berichtet wird – und die Vorverurteilung machten es ihm schwer sich zu äußern“. Eine Psychologin, mit der er gestern das erste Mal sprach, hätte ihm geraten sich am heutigen Prozesstag zu äußern.

Was nun folgte war ein langer Erklärungsversuch, der in der Endkonsequenz nichts anderes war, als ein Widerruf seines am ersten Prozesstag gemachten Geständnisses. Er beschreibt seine Sicht der Beziehung zu dem kleinen Mädchen das ihn Papa nannte. Darin geht es vom eincremen bei einer Erkrankung über Omas Aufklärungsversuch, das Buhlen um Aufmerksamkeit der Kleinen, eine mögliche Morgenlatte des „Nacktschläfers“ bis hin zum Karnevalsschlager „Finger im Po Mexico“. Kurzum – es gab nie einen sexuellen Übergriff, so der 35-jährige.

Man kann sehen, wie sehr seine Verteidigerin, angesichts der Äußerungen ihres Mandanten, um Fassung ringt, hatte sie doch erst wenige Minuten vor Prozessbeginn von der Erklärung des Angeklagten erfahren. Das sie die Hände vor ihr Gesicht schlägt, spricht Bände.

 

Den Vorwurf des Besitzes und des Verbreitens von Kinderpornografie könne man „faktisch nicht abstreiten“, erklärt er weiter. Es hätte alles mit einem Jugendspaß angefangen. Man habe Fakeaccounts angelegt und sich als Model ausgegeben. Er müsse beruflich sehr dominant auftreten, habe eine Firmenpleite verdauen, Geldsorgen und einen Jobwechsel verarbeiten müssen. Da habe er sich in die Onlinewelt geflüchtet, einfach um den Alltag zu vergessen, zur Stressbewältigung.

Niemand im Gerichtssaal konnte so richtig glauben was da gerade passierte. Um so deutlicher machte die vorsitzende Richterin ihren Unmut, angesichts der Ausführungen des Angeklagten, deutlich. Nun ist sicher, dass heute achtjährige Mädchen muss vor Gericht aussagen.

 

„Er habe das nicht gemacht um sich an Kindern zu befriedigen, sondern um sich in eine Opferrolle zu begeben.“ soll ihm die Psychologin erklärt haben. Immer wieder betonte er, wie schwer es ihm doch falle über das Vorgefallene zu sprechen. Das er erst am Anfang einer sehr aussichtsreichen Therapie stehe. Wieso „das Vorgefallene“? Gerade hatte er zu Protokoll gegeben, dass es keine sexuellen Handlungen gab!

Richterin Pallasch fährt ihm sachlich aber mit scharfen Ton dazwischen. „Sie kennen die Protokolle der Aussagen? Sie wissen was auf ihren Rechnern gefunden wurde? Ihre Rechner, ihre Bilder von Babys, kleinen Kindern, großen Kindern, Lebewesen“.

 

Ein IT – Sachverständiger wird gehört

Um 10.14 Uhr trat ein Sachverständiger für IT Forensik in den Zeugenstand. Sein Unternehmen hatte die Aufgabe die beim Angeklagten sichergestellten Datenträger auszuwerten.Was er aus seinem 94 Seiten umfassenden Gutachten berichtete klang unglaublich! 13.399 kinderpornografische Schriften wurden gefunden! Alleine die gefundenen Videos ergeben eine Gesamtlänge von mehr als 23 Stunden!!!

Der Angeklagte soll über die Plattformen isq und Skype agiert haben. Seine Nutzernamen waren szenetypisch weiblich, wie etwa „Kinderfotze Cindy“ und“Livekindernutte Cindy“.

Die Sitzung wird unterbrochen

Nachdem der Angeklagte sein Geständnis vom ersten Verhandlungstag widerrufen hat ist für die Strafkammer klar, die heute 8-jährige muss vor Gericht aussagen! Die Staatsanwaltschaft informiert die Mutter des Kindes in einer Verhandlungspause. Klar ist auch, das es weitere Verhandlungstermine geben wird.

 

 

Als um 12.40 Uhr vier Justizbeamte den Gerichtsaal betreten, wird es unruhig. Die Staatsanwältin sieht nach der plötzlichen Wandlung des Angeklagten Handlungsbedarf. Da Sebastian L. nun mit einer weitaus höheren Strafe rechnen muss, bestehe nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Fluchtgefahr. Sie erklärt den Angeklagten für vorläufig festgenommen!

„Nein! Können wir das umgehen? Ich widerrufe meine Erklärung!“ ruft der Angeklagte der Staatsanwältin hinüber. Die Vorsitzende bietet eine Beratungspause an. „Ich habe schon so viel Zeit verschwendet!“ antwortet die Verteidigerin laut und sichtbar niedergeschlagen von dem was auch sie heute hier erlebt.

 

 

Der nächste Versuch des Angeklagten! „Ich gebe alles zu! Ich habe die pädophile Neigung. Ob ich in Haft komme oder nicht. Vielleicht weiß ja auch die Kleine noch nichts…“ Zu spät! Die „Kleine“ wurde längst informiert. Was alle hofften bleibt ihr nun leider nicht mehr erspart.

„Sie haben die Kammer, mit dem was sie heute getan haben in eine Situation gebracht, das wir um eine Vernehmung des Mädchens nicht mehr umhinkommen!“

so Richterin Pallasch. “

 

Gibt es einen weiteren Fall von schwerem sexuellen Missbrauch?

Im Publikum sitzt heute auch eine ältere Dame, die Oma des leiblichen Sohnes des Angeklagten wie sich später herausstellt. In den Verhandlungspausen sucht sie das Gespräch mit der Staatsanwältin, möchte ihr etwas sagen. Sie wird ohne Öffentlichkeit vernommen.

Nun die nächste Überraschung. Die Staatsanwältin erklärt, dass die Mutter des leiblichen Sohnes des Angeklagten bei dessen Geburt 13 Jahre alt gewesen sei. Somit stehe der Verdacht eines weiteren Falles von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern im Raum.

 

Der Prozess geht weiter

Ginge es nach der Verteidigung könnte heute ein Urteil gesprochen werden. Sie ist sichtlich bedient und keineswegs um ihre Aufgabe zu beneiden. Aber das Gericht lehnt das ab. Ein Urteil könne erst gesprochen werden, wenn alle Sachverhalte hinreichend geprüft und auch vor dem Bundesverfassungsgericht bestand haben würden. Nur so könne man sicherstellen, dass dem Opfer ein weiterer Gang in den Zeugenstuhl erspart bliebe, so die Richterin.

Ein psychiatrischer Sachverständiger soll nun die Schuldfähigkeit des 35-jähriger begutachten. Die Richterin machte aber zugleich deutlich, das sie diese aktuell nicht eingeschränkt sieht.

 

 

Die Justizbeamten begleiten den Angeklagten in einen Raum neben dem Gerichtssaal.

Um kurz nach 15 Uhr klicken dann, ohne die Öffentlichkeit, im Gericht die Handschellen. Der Haftbefehl wird verkündet und vollstreckt! Sebastian L. wird noch heute in die Justizvollzugsanstalt Untermaßfeld überstellt.

 

Der öffentliche Prozess wird am 23.07.19 um 13 Uhr fortgesetzt.

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